Das war die Woche, in der sich die Ereignisse nicht nur verdächtig angehäuft haben, nein, sie haben sich förmlich überstürzt. Ganz atermlos sitze ich vor meinem Rechner und suche verzweifelt nach einem Punkt der Entspannung, den ich nicht finden kann, so sehr ich mich auch anstrenge. Deutschland hat einen Miniatur-Berlusconi, nämlich den Chefkoch aus Hessen, der dafür gesorgt hat, dass es hierzulande endlich ein Staatsfernsehen gibt, ein Minister tritt zurück und ermöglicht so zwei illustren Damen die Promotion, der letzte Rest Privacy der europäischen Bürger wird an Amerika verschenkt und schließlich, last but not least, Bundespräsident Köhler weigert sich vorläufig, das Internetzugangssperrengesetz zu unterzeichnen. Daneben, als ob das alles nicht schon des guten zuviel wäre, gab es auch durchaus Erfreuliches zu berichten, etwa, dass der Bundestag teure Bürobestellungen seiner Abgeordneten auf Kosten des Steuerzahlers verhindern will. Dann müsste allerdings mit dem so eingesparten Steuergeld etwas Vernünftiges angefangen werden, das wäre absolutes Neuland. Armes Parlament! Statt Vergünstigungen zu genießen muss nachgedacht und gearbeitet werden. Aber langsam, eins nach dem anderen und ganz zum Schluß der verborgene Gesamtzusammenhang, sonst endet dieser Beitrag ebenso im Chaos, wie die Realität im Chaos zu versinken scheint. Da wäre zunächst einmal der Fall Brendner zu beleuchten. Der Chefkoch aus Hessen hat es für nötig erachtet, den ZDF-Chefredakteur abzusetzen und somit das "unabhängige" ZDF ins rechte Licht zu rücken: Der Sender ist von ihm abhängig, das musste einmal als Exempel statuiert werden. Dass das ZDF eher als Sprachrohr konservativer Kreise einzustufen war, das war für jedermann deutlich ersichtlich, mit der Unabhängigkeit war es nie weit her. In der Anfangszeit dieses Senders passierte dann auch das bekannte Mißgeschick, dass der Ansagerin folgender Satz gelang: "Sehr geehrte Damen und Herren, aus technischen Gründen können wir Ihnen leider den Film 'Das schwarze Loch' nicht zeigen. Stattdessen zeigen wir Ihnen 'Mainz, wie es singt und lacht." Oder so ähnlich, es ist schon lange her, 1986, wenn ich mich recht erinnere, ich stehe für den Inhalt ein, aber nicht für den genauen Wortlaut. Doch zurück zum Fall Brendner, was war denn nun eigentlich für den Chefkoch das Problem? Und was hat das alles mit jener legendarischen Ansage zu tun? Die Lösung ist ganz einfach und folgender Satz könnte direkt vom Chefkoch stammen, wenn er denn von ihm stammen würde: "Herr Brendner ist parteilos, er hat kein Parteibuch. Stattdessen zeige ich Ihnen meins, wie es stinkt und kracht!" An der Arbeit des Herrn Brendner hat es nicht gelegen, sein Intendant wollte ihn unbedingt halten, aber der Chefkoch sah den Moment gekommen, zum Miniatur-Berlusconi zu mutieren. Er, als Ministerpräsident Hessens und das ohne eine Wählermehrheit, kontrolliert jetzt ganz öffentlich das ZDF, das Staatsfernsehen ist auch hierzulande Wirklichkeit geworden. Nur eines, nämlich dass der Chefkoch sich nicht so skandalumwittert verhält wie der Original-Berlusconi, macht ihn zum Miniatur-Berlusconi. Der Rücktritt von Franz-Josef Jung - das ist schon eine leidige Geschichte. Der Zufall will es, dass auch er aus der hessischen CDU stammt und so musste man nicht lange warten, bis sich in dieser Angelegenheit der Chefkoch zu Wort meldete, der in der ZDF-Affäre schweigt wie das Grab: Wiesbaden (AP) Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hat sich betroffen über den Rücktritt von Arbeitsminister Franz Josef Jung geäußert. «Die Ereignisse der letzten 36 Stunden und insbesondere der Amtsverzicht meines Freundes Franz Josef Jung gehen mir auch persönlich sehr nahe», erklärte der hessische CDU-Chef am Freitag in Wiesbaden. Jung, der ebenfalls der hessischen CDU angehört und als enger Vertrauter Kochs gilt, habe sich zu einem «außerordentlich respektablen Schritt» entschieden. Der Seitenhieb auf die 'Kritiker dieser Tage' zielt natürlich klammheimlich auf seine Kritiker wegen der ZDF-Affäre. Was an Jungs Rücktritt außerordentlich respektabel sein soll, wird wohl das Geheimnis des Chefkochs bleiben, der viel redet, aber wenig sagt. Ein Minister, der entweder sein Haus nicht unter Kontrolle hat oder, falls das doch der Fall gewesen sein sollte, das Parlament und die Öffentlichkeit belügt, kann nicht im Amt bleiben. Der Rücktritt war also keineswegs außerordentlich respektabel, sondern schlicht und einfach unvermeidbar. Die ganze Affäre um den Luftangriff in Afghanistan ist noch lange nicht ausgestanden und es ist jetzt sehr die Frage, wieviele Köpfe wegen dieser Angelegenheit noch außerordentlich respektabel rollen werden. Ins Visier genommen sind schon einige, parlamentarische Untersuchungsausschüsse sind bzw. werden eingesetzt, aber eines kann alle, allen voran den Chefkoch beruhigen: Die SPD hat von einer Verfassungsklage wegen der ZDF-Affäre abgesehen. Auch sonst, also in der Afghanistan-Affäre, ist allem Getöse zum Trotz weiter kaum etwas zu befürchten, auch für Herrn Guttenberg, der eine Fehleinschätzung glatt zugeben wird und für Frau Merkel, die von alledem natürlich nichts gewusst hat, nicht. Die Wogen werden sich glätten, nichts wird so heiss gegessen, wie es gekocht wird (gelle, Herr Chefkoch?) und falls doch alles schiefgehen sollte, steht eine ganze Riege Nachfolger schon in den Startlöchern, um das Land zu retten bis zum nächsten Skandal. Denn dieser kommt so sicher wie das Amen in der Kirche, was aber nicht heissen soll, dass es dabei um die Verflechtung von Kirche und Politik gehen wird. Im Notfall wirds das ZDF schon richten, die Bild-Zeitung hat bekanntlich das Lager gewechselt und deckt jetzt mit Lust und Laune Skandale auf. Wie lange, bleibt natürlich abzuwarten, aber immerhin. Zwei illustren Damen ist die ganze Sachlage gar nicht so unrecht, Zensursula promovierte ins Arbeitsministerium und die Newcomerin Frau Köhler aus dem Nichts ins Familienministerium. So sympathisch es erscheinen möge, dass sich das Verhältnis, das zahlenmäßige wohlgemerkt, von Frauen und Männern im Kabinett zugunsten der Frauen verschoben hat, so sehr bleibt es abzuwarten, was jetzt weiterhin passiert. Die Regierung hat neben den genannten Problemen auch noch das Problem des Zugangserschwerungsgesetzes, das völlig überhastet, aber dafür umso wahlwirksamer noch vor der Wahl verabschiedet wurde, mit den Stimmen der SPD, was man nicht vergessen sollte. Herr Bundespräsident Köhler hat das Gesetz nicht unterzeichnet, noch nicht, wodurch es auch noch nicht in Kraft getreten ist. Gespannt bin ich darauf, auf welche Weise und vor allem mit welchem Maß an Raffinesse man dieses unliebsame Kind wieder loszuwerden gedenkt. Dass die FDP hierbei treibende Kraft ist, lässt eigentlich nichts Gutes erhoffen, ist deren hevorstechende Eigenschaft doch die des Stehaufmännchens. Um wieder aufstehen zu können, muss man erst umgefallen sein und ich befürchte, dass genau das passieren wird, wie etwa bei der Weitergabe der Bankdaten an die USA. Die Stadt Lauf an der Pegnitz macht der Zensursula wenigsten vor, was Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sind: Lauf an der Pegnitz (ddp-bay). Mit einer ungewöhnlichen Stellenanzeige wirbt die mittelfränkische Stadt Lauf an der Pegnitz um neue Mitarbeiter. Per Internet und über Zeitungsannoncen sucht die Stadtverwaltung Sargträgerinnen und Sargträger für den städtischen Friedhof. Neben den realen Verstorbenen, die würdevoll begraben werden sollen, gibt es allerdings jede Menge irrealer Leichen, die zu entsorgen sind. Wie und wann das vor sich geht, das macht die kommende Dekade zu einer wirklich spannenden. Deutschland muss aus dem Krieg geholt werden, es muss aus der Krise geholt werden, es muss wieder treibende Kraft in Europa werden, ohne dem bisherigen Weg zu folgen, der darin bestand, alles, was zuhause nicht durchzusetzen war, eben über eine EU-Verordnung anzustoßen und so durchzusetzen. Angesichts der Dinge, die bewegt werden müssen, ist mehr Raffinement gefragt. Das Verhältnis von dem, was war und dem, was kommen wird, entspricht in etwa dem Verhältnis von Rohzucker zu raffiniertem Zucker. Der raffinierte Zucker ist deshalb raffiniert, weil er raffiniert worden ist. Die Handlung wurde zu einem Zustand.
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