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Dummheit durch die Hintertür

 


 

Die Gegner einer Internetzensur haben, es muß gesagt werden, naiv gejubelt, als das Zugangserschwerungsgesetz ausgesetzt wurde. Löschen statt Sperren, das ganze Problem der Kinderpornographie nächstes Jahr noch einmal validieren, das Gesetz bis dahin ausgesetzt, der Bundespräsident, der das Gesetz nicht unterschreibt, das alles klang wie ein Sieg, obwohl noch nichts erreicht ist als eben diese Aussetzung. Aber immerhin, dachte so mancher, unsere Stimme wird gehört. Nichts ist weniger wahr, sie hätten bedenken sollen, dass viele Wege nach Rom führen. Dem "Löschen statt Sperren-Prinzip" stimme ich ja voll und ganz zu, abzuwarten bleibt allerdings noch, inwieweit unsere Behörden zur Umsetzumg imstande sind. Jetzt ist jedoch kein Wahlkampf mehr, die Werbung mit "Gegen Kinderpornografie" hat ein Ende, dieser Mißbrauch des Leides vieler Kinder zu Wahlkampfzwecken, und jetzt ist scheinbar die Kontrolle und Gängelung der Bürger wenigstens vorläufig vom Tisch, sollte man denken.

Aber weit gefehlt, jetzt geht es erst richtig los! In einer großangelegten Kampagne, von staatswegen verordnet, wird jetzt überprüft, ob die Bürger sicher im Internet unterwegs sind. Anfangs klingt das Projekt ja durchaus sympathisch (Zitat aus T-online):

Die Bundesregierung macht ernst im Kampf gegen Computerviren: Im nächsten Jahr soll eine Beratungsstelle PC-Nutzern beim Entfernen von Trojanern und Spyware helfen. Ein Virenschutz soll zudem Pflicht für Internetnutzer werden. Wer sich weigert, Sicherheits-Software zu installieren, muss mit Sanktionen rechnen.

Mit einem europaweit einzigartigen Projekt sagt die Bundesregierung der Virenlast auf privaten Computern den Kampf an. Schon in der ersten Jahreshälfte 2010 sollen PC-Nutzer auf die Hilfe einer Beratungsstelle zurückgreifen dürfen, mit der sie ihre Computer zuhause von Viren befreien können. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und der Verband der deutschen Internetwirtschaft (eco) stellten das Vorhaben am Dienstag beim IT-Gipfel der Bundesregierung in Stuttgart vor.

Aha, also, wenn der Verband der deutschen Internetwirtschaft mitmischt, dann muss da doch Geld zu verdienen sein. Und wie soll denn bitteschön kontrolliert werden, wer denn da für Sanktionen in Frage kommt? Wie werden die Internetnutzer denn kontrolliert? Das wird also online passieren, die staatliche Beratungsstelle hat Zugriff auf die betroffenen Rechner und kann mit den gewonnenen Daten machen, was sie will. Aber auch die Provider müssen eingebunden werden, sie sind es schließlich, die verdächtigen Netzverkehr schon heute ausmachen können:

Dem Projektentwurf zufolge haben Internetzugangsanbieter längst die technische Möglichkeit, vireninfizierte Computer bei ihren Kunden auszumachen. Denn ist der PC in ein sogenanntes Botnetz eingegliedert, nutzt der Anschluss das Internet massiv mit einem bestimmten Muster. Botnetze missbrauchen gekaperte Computer beispielsweise für Angriffe auf Internetseiten oder den Spamversand. Laut Plan sollen Internetanbieter ihre Kunden auf die Viren hinweisen - etwa per Post oder Telefon. Angedacht ist auch eine Internetseite, die sich bei jeder Einwahl ins Netz automatisch aufbaut, falls auf dem Computer Viren lauern.

Achso, hm, eine neue Stopp-Seite also. Angedacht - aha. Und die Provider dürfen die Kohlen aus dem Feuer holen. Allerdings ergeben sich einige offene Fragen: Was ist denn mit den Linux-Nutzern? Müssen die auch Antivirensoftware installieren, obwohl es bis heute keine Linuxviren gibt? Ich gebe gerne zu, dass ich auf meinem Linux auch Antivirensoftware installiert habe, aber nur, um Anhänge in Mails zu scannen, bevor ich solche an Windows-Nutzer weiterleite. Insofern bin ich also im grünen Bereich. Als privater Internetnutzer. Denn hier geht es doch ausdrücklich um die Gängelung der Privatnutzer. Die Server, die zu Botnetzen zusammengeschlossen werden, sind nirgendwo erwähnt.

Weiter ist geplant, dass Kunden mit Sanktionen rechnen müssen, wenn sie ihren PC nicht von Viren befreien. "Wer im Internet ohne Virenschutz unterwegs ist, gefährdet andere Nutzer in etwa so, wie ein Autofahrer, der mit kaputten Bremsen unterwegs ist", sagte eco-Fachbereichsleiter Sven Karge. Noch ist unklar, welche Sanktionen dies sein werden. Laut einer eco-Sprecherin seien diese nicht als Strafe für unwillige Verbraucher gedacht, "sondern als Sicherheitsgarantie für alle anderen Kunden". Das Projekt soll testweise für ein Jahr laufen. Zu den Kosten gibt es noch keine Informationen.

Wenn sich demnächst herausstellen sollte, dass die Vorratsdatenspeicherung verfassungswidrig ist, dann ist hier doch ein neuer Weg, die Kosten für die flächendeckende Überwachung auf die Provider abzuwälzen. Was jedoch Herrn Karge betrifft, eine dümmere Aussage habe ich in meinem ganzen doch sehr bewegten Leben noch nicht gehört. Herr Karge tut gerade so, als ob ein Internetnutzer, der ohne Virenschutz unterwegs ist, Leib und Leben anderer Internetnutzer gefährdet. Abgesehen von den wenigen und sicher nicht allzu realistischen Fällen, wo die Einsicht, dass der eigene Rechner virenverseucht ist, einen tödlichen Herzinfarkt hervorruft, Herr Karge weiss schlichtweg nicht, wovon er redet. Schmerzhafte Verletzungen, oft mit der Konsequenz einer lebenslangen Behinderung, Fälle also, in denen sich die Betroffenen oft wünschen, sie hätten es nicht überlebt, das mit einem Virenbefall im Internet gleichzusetzen, ist mehr als blauäugig, es ist gefährlich dumm. Der beste Schutz im Internet ist und bleibt ein Wechsel des Betriebssystems und zwar zu einem System, das sich vor unberechtigten Zugriffen prinzipiell abschottet, wie das etwa bei den Linux-Distributionen der Fall ist. Das ist nämlich der Hauptgrund, wieso es sich für Hacker nicht lohnt, Linuxviren zu entwickeln. Dass Microsoft und im Kielsog die ganze Sicherheitsindustrie die Nutzer im Wesen verhohnepiepeln und ihnen das Geld aus der Tasche ziehen, ist kein Geheimnis. Dass die überwiegende Nutzung von Windowssystemen dafür verantwortlich ist, dass solche Auswüchse wie die Totalüberwachung als Sicherheitskonzept verkauft werden können, ist ebenso wenig ein Geheimnis. Auch dass der allergrößte Spion von allen, Google, nun auch massiv Daten von nicht registrierten Benutzern sammelt und nichts dagegen unternommen wird, ist kein Geheimnis. Dass die Computerindustrie ein gewisses Machtstreben praktiziert, auch das ist kein Geheimnis. Solange jedoch Leute wie der Herr Karge blind das alles unterstützen - er ist beileibe nicht der einzige, ein ganzer Industriezweig denkt so (eco) und somit auch die Politik - steht der letztendlichen totalitären Machtübernahme nichts im Wege. Wenn es dann soweit ist, dann wird es verboten sein, sich zu beschweren. Erst dann werden sich die Fälle der Herzinfarkte häufen und erst dann wird Herr Karge Recht bekommen!

Das Ganze wäre jedoch unvollständig, wenn ich nicht auch Herrn Bundesinnenminister de Mazière zu Wort kommen liesse. Er spricht nicht für sich selbst, aber was er sagt, spricht für sich selbst:

Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) wirbt für mehr Sicherheit im Internet. "Wir brauchen dazu eine neue Vertrauensbasis zwischen Staat und Internetnutzer", sagte der Minister im Rahmen des IT-Gipfels. Es gebe den Generalverdacht, der Staat wolle alle Netznutzer überwachen. Auf der anderen Seite müsse klargemacht werden, dass auch das Internet nicht ohne Regeln funktioniere. "Diese Kluft müssen wir überwinden." Bislang seien vor allem private Firmen für die Sicherheit im Internet verantwortlich. Ohne eine maßgebliche Rolle des Staates werde es jedoch auch für die privaten Nutzer keine freie und allgemein sichere Kommunikation im Netz geben.

Der Zufall, der natürlich alles Andere als ein Zufall ist, will es, dass in diesem selbigen 50. Heft in Shakespeare's Hamlet, Erster Akt, 4. Szene, der berühmte Satz erscheint, der seit jeher ganzen Generationen als Ansporn zu politischer Kritik gedient hat:

Etwas ist faul im Staate Dänemarks!

 


 

 

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