Die Zauberlehrlinge - 1. Szene


Ohne Musik
(Die Bühne ist in zwei Räume eingeteilt, links das Direktionszimmer und rechts
der Konferenzraum. Der jeweilige Raum der Handlung ist beleuchtet, der andere
liegt im Halbdunkel.)
(Der Konferenzraum. An einem langen Tisch sitzen die Mitglieder des
künstlerischen Rates. In synchronen Bewegungen rauchen und trinken sie. Es ist
still)
Der Erzähler:
Der Herr am Tischende da, das ist der Cornelius Mol, Vorsitzender
dieses künstlerischen Rates. Er selbst gebraucht den Doktortitel.
Böse Zungen behaupten, dass er seinen Beinamen „dicke Ratte“
einfach abgekürzt hat. Niemand jedoch wagt es, ihn mit seinem
Titel anzusprechen, geschweige denn, ihm diesen abzusprechen. So
ist der Herr Dr. Mol die einzige nicht angesprochene und damit
leider auch die einzige nicht ausgesprochene Persönlichkeit in dieser
werten Runde. Ein Freispruch würde aber nur den Widerspruch des
Unaussprechlichen bestätigen.
Erlauben Sie mir, Ihnen den Rest der Clique vorzustellen:
(Bei der Nennung des Namens erhebt und verbeugt sich der oder die Betreffende)
Anonymus – eine simple Seele, die fortwährend freudiger
Überraschung Ausdruck gibt;
Gianni Adao – ein bisschen langsam, aber immer gefühlvoll;
Dando Dandy – ein bisschen schnell und noch gefühlvoller;
Rudi Bato – überzeugter Serialist der ersten Stunde;
Fritz Alegre – der in seinen besten Momenten alles Fehlende durch
Dummheit kompensiert;
Otto Mest – dem keiner ein ´i` für ein `e` vormachen kann;
Konstanze Ponis – die unvermeidliche Dame in dieser Gesellschaft.
Neben ihr sitzt der Aldo Figana. What´s in a name?
(Der Erzähler tritt ab)
Mol:
(tickt einige Male ans Glas)
Also, alle mal herhören! Meine Dame, meine Herren! Die Sitzung ist
offiziell eröffnet! Wer protokolliert?
Ponis:
Also, ich finde, dass einer der Herren das mal machen müsste!
(Großer Widerspruch in der Runde)
Mol:
(tickt einige Male ans Glas)
Immer mit der Ruhe! Ruhe bitte! Vielleicht ist es sogar besser,
wenn wir heute nicht protokollieren. Kann hinterher wenigstens
keiner behaupten, wir hätten Dreck am Stecken!
Ponis:
Wollen Sie etwa meine Protokollierung kritisieren?
Figana:
Jeder weiß doch, dass du einen Spickzettel mit schwierigen Wörtern
in deinem Strumpf versteckt hast, Ponis.....
Ponis:
Also, jetzt hör mal gut zu, Figana.....
Figana: (unterbricht)
Lass ihn mal sehen!
(Gelächter in der Runde)
Mol:
Keine Witze, bitte! Der Zustand ist ernst!
Dandy:
So wahr mein Name Dando Dandy ist, bis jetzt ist´s gar nicht
lustvoll!
Figana:
Nun mal Spaß beiseite! Die Mehrheit will ihn sehen. Rock hoch!
Dandy:
Seit wann bist du denn die Mehrheit? Und wieso trägst du immer
eine Mütze?
Figana:
Nun ja, wie soll ich sagen? Eine bisschen Grütze unter der Mütze...
Dandy:
Und das alles aus einer Pfütze!
Mol:
Ich muss doch sehr bitten! Der Zustand ist ernst. Alle halten sie uns
für einen künstlerischen Rat.....
Anonymus:
Toll, was?
Mol:
Danke, Anonymus! Lasst uns wenigstens versuchen, diesem
Glauben alle Ehre zu machen. Obwohl wir uns natürlich bewusst
sind, dass dies ein Sisyphusgefecht ist und war und immer bleiben
wird.
Figana: (unbeirrt, zur Ponis)
Weißt du, was die größte Kunst ist?
Ponis:
??????
Figana:
Das ist die Kunst des Aktes.
Alegre:
Der gemalte oder der fotografierte?
Mest: (beinahe gleichzeitig)
Der erste oder der letzte?
Figana:
Nichts da! Ich meine den Akt an sich!
Ponis:
Jetzt wird`s mir aber langsam schlecht, Figana.....
Figana:
Erleuchte mich mit deinem Standpunkt!
Ponis:
Mein Standpunkt ist der, dass du nur so mit mir redest, weil ich eine
Frau bin. Aber das stimmt nicht ganz. Ich bin nämlich eine
Komponistin, wie du sehr wohl weißt. Und nicht die schlechteste!
Anonymus:
Toll, was?
Mol:
Danke, Anonymus! Herr Figana, wir werden nicht bezahlt für
anzügliche Bemerkungen.
Figana:
Wer redet denn über Anzüge? Ganz im Gegenteil!
Dandy:
Ganz im Gegengeil, meint er wohl.
Bato:
Vielleicht ist der Hintergrund ihres Standpunktes der, dass
Komponistinnen in Probleme kommen, wenn Komponisten in der
Nähe sind.
Ponis:
Ganz und gar nicht! Bato, willst du etwa eine Anzeige riskieren?
Bato:
Überhaupt nicht! Aber man weiß ja schließlich nie! Das Leben ist
halt voller Freud´.
Mest:
Wenigstens dann, wenn`s nicht trist an zugeht!
Mol:
Machen Sie nur so weiter! Nur weiter so!
Mest:
Versteht ihr nicht? Wenn`s nicht „trist an“ zugeht.....Hahaha!
Bato:
Ja ja, das leben ist halt voller Freud`.
Alle:
(außer Ponis)
Ach so! Jetzt verstehen wir! Ja natürlich! Hahaha!
Ponis:
Männer! Ha!
Adao:
Wenn ihr endlich ausgerast seid, ich wäre allen sehr dankbar, wenn
wir endlich mit der Sitzung anfangen könnten. Ich hab auch noch
was anderes zu tun! Dürfte man mal fragen, wo denn die Liste mit
den Tagesordnungspunkten ist?
Mol: (sucht in seinen Papieren)
Man dürfte.....
Figana:
Ich hoffe, dass sie nicht da ist. Dann können wir ja lustig
weitermachen!
Dandy:
Lustvoll meint er wohl!
Figana:
Man hat es verdammt schwer, wenn man so gut ist wie ich, glaub
mir!
Die Musik setzt ein
(Alle reden jetzt durcheinander. Die Stimmen werden immer leiser, bis nur noch
die Lippen lautlos sich bewegen. Dann wird wieder in synchroner Bewegung
geraucht und getrunken.)

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